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Teil 1: Mängelrechte vor Abnahme beim BGB-Bauvertrag?

Meinungsstreit vom BGH entschieden! -
BGH, Urteil vom 19.01.2017 - VII ZR 193/15

1.
Der Besteller kann Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen.

2.
In Ausnahmefällen können Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme bestehen, wenn der Besteller nicht mehr die (Nach-)Erfüllung verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist, wofür allein das Verlangen eines Kostenvorschusses nicht ausreicht. 3. Bringt der Besteller neben der Vorschussforderung ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck, dass er ernsthaft und endgültig eine (Nach-) Erfüllung durch den Unternehmer ablehnt, entsteht ein Abrechnungsverhältnis.

Problem/Sachverhalt
Die auf Restwerklohnzahlung verklagten Auftraggeber (AG) verlangen widerklagend vom Auftragnehmer (AN) Kostenvorschuss für Mängel am Terrassenbelag. Die vom AN geleisteten Terrassenarbeiten weisen erhebliche Mängel auf, die trotz dreier Nachbesserungsversuche nicht beseitigt wurden. Eine Abnahme erfolgte nicht. Der AN war weiterhin erfüllungsbereit.

Mit Schreiben vom 30.10.2008 lehnten die AG weitere Nachbesserungsversuche ab, verbunden mit dem Wunsch, das Vertragsverhältnis endgültig zu beenden. Das Landgericht wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und ließ die Revision mit der Begründung zu, dass bislang höchstrichterlich ungeklärt sei, ob und in welchen Fällen vor Abnahme Mängelansprüche aus § 634 BGB geltend gemacht werden können.

Entscheidung
Der BGH hält einen Anspruch auf Vorschusszahlung aus § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB vor erfolgter Abnahme hierfür nicht begründet! Bislang hatte der VII. Senat die Frage offengelassen, ob die Mängelrechte aus § 634 BGB schon vor Abnahme geltend gemacht werden können. In der Rechtsprechung und Literatur wurden dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Der BGH hat sich mit der aktuellen Entscheidung der überwiegenden Ansicht angeschlossen, dass der AG die Mängelrechte aus § 634 BGB grundsätzlich erst nach erfolgter Abnahme des Werks geltend machen könne. In Ausnahmefällen sei eine Abnahme allerdings weiterhin entbehrlich.

Der Senat hat seine Auffassung u. a. damit begründet, dass dem AG vor der Abnahme Erfüllungsansprüche und das allgemeine Leistungsstörungsrecht zur Verfügung stünden, seine Rechte also angemessen gewahrt seien. Einen faktischen Zwang, ein nicht abnahmereifes Werk abnehmen zu müssen, bestünde daher nicht. Die "Nacherfüllung" sei schon begrifflich von der "Herstellung" (Erfüllung) zu unterscheiden.

Aus der Vorschrift des § 634a Abs. 2 BGB werde auch ersichtlich, dass die Abnahme den zeitlichen Wendepunkt („Zäsur") zwischen Erfüllungs- und Mängelhaftungsphase markiere, weil die Verjährung der Mängelrechte in den meisten Fällen mit der Abnahme beginne. Der BGH hielt die Abnahme aber nicht für ausnahmsweise entbehrlich: Eine Abnahme sei entbehrlich, wenn der AG nicht mehr Erfüllung verlangen könne und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen sei. Das Recht zur Selbstvornahme und der Anspruch auf Vorschusszahlung lassen den (Nach-) Erfüllungsanspruch des AG aber grundsätzlich unberührt. Solange der AG noch zum (Nach-) Erfüllungsanspruch zurückkehren könne, läge noch kein ausschließlich auf Geld gerichtetes Abrechnungsverhältnis vor.

Die Forderung eines Vorschusses könne erst dann zu einem Abrechnungsverhältnis führen, wenn der AG ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringe, eine (Nach-)Erfüllung vom AN ernsthaft und endgültig nicht mehr zu verlangen.

Gerne stehen wir Ihnen beratend zur Seite: http://www.jus-kanzlei.de/rechtsgebiete/baurecht.html

Erstellt am 10.07.2017 von

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